Kategorie
Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO

Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 12, § 41 Abs. 1

Leitsätze:
1. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen. Zur Konkretisierung des Begriffs der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit darf mithin auch im Rahmen des § 41 WaffG auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden, die für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes gilt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit iSv § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, da sie die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negieren und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ob eine Person sich selbst als „Reichsbürger“ empfindet und ansonsten „unauffällig“ ist, ist unerheblich. Ob eine Person der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seinen prozessualen und außerprozessualen Verhaltensweisen und Einlassungen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffenrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Rechtsmittelinstanz:
VGH München – Beschluss vom 08.05.2023 – 24 CS 23.785

Volltext:
VG München – Beschluss vom 26.04.2023 – M 7 S 23.1898

Kurz-Sachverhalt:
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf einen Teil seiner Klage gegen den Erlass eines Erwerbs- und Besitzverbots für erlaubnisfreie Waffen und Munition mit Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse (Waffenbesitzkarten).
Zur Begründung des Waffenverbots wurde ausgeführt, Rechtsgrundlage für das Verbot, erlaubnisfreie Waffen oder Munition zu erwerben und zu besitzen sei § 41 WaffG. Der Antragsteller besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG. Die Erkenntnisse ließen befürchten, dass der Antragsteller sich nicht an die strengen waffenrechtlichen Vorgaben des Waffengesetzes zum Umgang mit Waffen halten werde. Als sog. „Reichsbürger“ bestreite er die Verbindlichkeit der unter dem Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung, zu der auch das Waffengesetz zähle. Er werde aktuell durch das Polizeipräsidium München als Reichsbürger eingestuft.

Entscheidung
Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, dürften im Fall des Antragstellers unter Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtfertigen. Die ermittelten Verhaltensweisen und Einlassungen des Antragstellers dürften in ihrer Gesamtwürdigung die Annahme begründen, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Es dürften keine durchgreifenden Zweifel daran bestehen, dass die nach außen getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen auch seine innere Einstellung widerspiegeln.